Sehr geehrter Herr Hardt,

Sie sind Mitglied im Auswär­tigen Ausschuss des Bundes­tages, stell­ver­tre­tendes Mitglied im Unter­aus­schuss Krisen­prä­vention, stell­ver­tre­tendes Mitglied der Parla­men­ta­ri­schen Versamm­lungen der NATO und der OSZE. Außerdem sind Sie Außen­po­li­ti­scher Sprecher der CDU/CSU-Bundes­tags­fraktion. Ich gehe also davon aus, dass Sie über erheb­liches Fachwissen auch zu (ab-) rüstungs­po­li­ti­schen Themen, darunter Atomwaffen, verfügen.

Umso entsetzter bin ich von Ihrer Reaktion auf Präsident Trumps Ankün­digung, Atomwaf­fen­tests wieder aufnehmen zu wollen. tagesschau.de berichtet wie folgt:

… Der außen­po­li­tische Sprecher der Unions­fraktion im Bundestag, Jürgen Hardt, betonte, der US-Nukle­ar­schirm sei eine der wesent­lichen Lebens­ver­si­che­rungen Deutsch­lands und Westeu­ropas. Daher könne er den US-Präsi­denten nicht dafür kriti­sieren, sein Atomwaf­fen­ar­senal zu moder­ni­sieren. “Dazu gehören vielleicht auch Tests.”

Die Welt müsse zwar von einer Aufrüstung wieder herun­ter­kommen — aber “da liegt der Schlüssel in Moskau und in Peking — und nicht in Washington.” Russlands habe atomare Mittel­stre­cken­ra­keten in Europa statio­niert und damit gegen inter­na­tionale Verträge verstoßen, sagte Hardt. China rüste ebenfalls massiv auf, sagte Hardt den Sendern RTL und n‑tv. …

1. Deutschland hat, wie alle EU-Länder, das Umfas­sende Teststopp­ab­kommen (Compre­hensive Test Ban Treaty, CTBT) unter­zeichnet und ratifi­ziert, laut Vertrags-Datenbank der CTBT-Organi­sation wie folgt:

Germany   

Deutschland betreibt im Auftrag der CTBTO selbst vier zerti­fi­zierte Überwa­chungs­sta­tionen (Infra­sound, Seismik, und Radio­nu­kleid-Detektion).

2. Der CTBT war und ist ein wichtiger Meilen­stein. Die Präambel des Vertrages formu­liert:

… daß die Einstellung sämtlicher Versuchs­explo­sionen von Kernwaffen und
aller anderen nuklearen Explo­sionen durch Einschränkung der Weiter­ent­wicklung und
quali­ta­tiven Verbes­serung von Kernwaffen und Beendigung der Entwicklung besserer neuer
Arten von Kernwaffen eine wirksame Maßnahme zur nuklearen Abrüstung und jeder Form der
Nicht­ver­breitung darstellt, …

sowie

… ferner in der Erkenntnis, daß eine Einstellung aller dieser nuklearen Explo­sionen einen
bedeu­tenden Schritt zur Verwirk­li­chung eines syste­ma­ti­schen Prozesses darstellen wird, um
nukleare Abrüstung zu erreichen, …

Artikel XV des Vertrags formu­liert unmiss­ver­ständlich:

    Vorbe­halte zu den Artikeln dieses Vertrags und seinen Anlagen sind nicht zulässig.

3. Ihre von tagesschau.de angeführten Aussagen sind in diesem Kontext inakzep­tabel. Im Gegenteil, alle deutschen Politiker*innen sollten unmiss­ver­ständlich vermitteln, dass der CTBT wichtig ist und auch von Staaten, die nicht ratifi­ziert haben, wie die USA, unbedingt einge­halten werden muss. Sonst müssten Sie Nordkorea ebenfalls das Recht auf Atomwaf­fen­tests zugestehen. Wollen wir wirklich zu dieser Phase der inter­na­tio­nalen Bezie­hungen zurück­kehren?

Sehr geehrter Herr Hardt, Sie und ich sind vermutlich gleicher­maßen unglücklich über den aktuellen (Nicht-) Stand der Rüstungs­kon­trolle. Sie und ich haben erkennbar unter­schied­liche Meinungen dazu, ob “der US-Nukle­ar­schirm” eine “Lebens­ver­si­cherung” für Deutschland ist. Ich hoffe aber, wir sind uns einig, welche Verpflich­tungen sich aus der Mitglied­schaft Deutschland im CTBT und damit auch für Sie ergeben.

Ich verschicke diese Mail als Offenen Brief, d.h. ich leite die Mail an andere Menschen weiter, und bitte Sie um Antwort.

Mit freund­lichen Grüßen
Regina Hagen