50. Jahrestag des Beitritts zum nuklearen Nicht­ver­brei­tungs­vertrag

Friedens­be­wegung fordert Abzug der Atomwaffen aus Deutschland
Bild: UN Photo / Jean-Marc Ferré ,CC BY-NC-ND 2.0

Am 2. Mai 1975 trat die Bundes­re­publik Deutschland dem nuklearen Nicht­ver­brei­tungs­vertrag (NVV) bei, der fünf Jahre zuvor (am 5. März 1970) in Kraft getreten war. Artikel II des Vertrages besagt: „Jeder Nicht­kern­waf­fen­staat, der Vertrags­partei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernspreng­körper oder die Verfü­gungs­gewalt darüber von niemandem unmit­telbar oder mittelbar anzunehmen.“

Das Aktions­bündnis „atomwaffenfrei.jetzt“ fordert 50 Jahre nach Beitritt Deutsch­lands zum NVV die vollständige Einhaltung des Vertrages durch den Abzug der Atombomben aus Büchel. Zumindest dem Geist der wesent­lichen Vertrags­be­stimmung in Art. II wider­spricht die aktive Mitwirkung an der so genannten nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO. Bezogen auf Deutschland bedeutet dies selbst 50 Jahre nach Vertrags­bei­tritt die anhal­tende Statio­nierung von US-Atombomben – aktuell vermutlich noch 15 auf dem Flieger­horst Büchel –, das Vorhalten von Träger­flug­zeugen – aktuell Tornados, in Zukunft F‑35-Kampfjets – , das Üben des Einsatzes der Atombomben durch Piloten der Bundeswehr und die erklärte Bereit­schaft, diese im Ernstfall über einem Ziel abzuwerfen.

Diese Praxis der „nuklearen Teilhabe“ wird regel­mäßig von einer Mehrheit aller UN-Staaten verur­teilt, beispiels­weise in einem Statement der 120 „Block­freien Staaten“ bei der NVV-Konferenz 2024 in Genf: „[…] Die Gruppe bekräftigt erneut ihre tiefe Sorge […] über Praktiken, die den Prinzipien und Zielen des Vertrags entge­gen­stehen, wie die anhal­tenden und neu entste­henden Abkommen zur nuklearen Teilhabe und die erwei­terte Abschre­ckung.“ (1) Auch die Vertrags- und Unter­zeich­ner­staaten des Atomwaf­fen­ver­bots­ver­trags haben auf der aktuell in New York laufenden NVV-Vorbe­rei­tungs­kon­ferenz am 28.4.2025 betont: “Wir sind beunruhigt über jede Statio­nierung von Kernwaffen auf dem Hoheits­gebiet von nicht nuklear bewaff­neten Staaten und fordern alle Staaten, die derartige Verein­ba­rungen getroffen haben, nachdrücklich auf, diese zu beenden.”

Martin Singe, Sprecher des bundes­weiten Aktions­bünd­nisses „atomwaffenfrei.jetzt“, schließt sich dieser Kritik an: „Die Bundes­re­gierung muss die Bestim­mungen des NVVs endlich vollständig erfüllen, den Abzug der US-Atomwaffen veran­lassen und jegliche Betei­ligung an der nuklearen Teilhabe aufgeben.“

Die aktuelle Diskussion über die Ausweitung der nuklearen Teilhabe durch franzö­sische Atomwaffen unter­gräbt die Glaub­wür­digkeit Deutsch­lands zusätzlich. Welch fatale Folgen dies hat, zeigte das Schweigen der deutschen Regierung wie der anderen NATO-Staaten, als Russland und Belarus vor zwei Jahren mitteilten, gleich­falls eine nukleare Teilhabe aufzu­bauen (Statio­nierung russi­scher Atombomben und Raketen in Belarus sowie Umrüstung belaru­si­scher Kampf­flug­zeuge sowie Training belaru­si­scher Piloten für den Einsatz der Bomben).

Die nukleare Teilhabe wird ebenso wie die beschleu­nigte nukleare Aufrüstung aller Atomwaf­fen­staaten mit der vermeint­lichen Abschre­ckungs­wirkung begründet. Das ist ein Trugschluss: Je konfron­ta­tiver die Atomwaf­fen­po­litik, desto mehr wächst die Gefahr eines Atomwaf­fen­ein­satzes, und sei es nur aufgrund von Missver­ständ­nissen, Fehlwahr­neh­mungen oder Compu­ter­fehlern. Der aktuelle Stand der Doomsday Clock bei 89 Sekunden vor 12 ist eine unmiss­ver­ständ­liche Warnung, dass die aktuelle Nukle­ar­waf­fen­po­litik das Überleben der ganzen Menschheit gefährdet. (2)

Artikel VI des NVV besagt: „Jede Vertrags­partei verpflichtet sich, in redlicher Absicht Verhand­lungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen Abrüstung. […].“ Regina Hagen vom Aktions­bündnis „atomwaffenfrei.jetzt“ weist auf die Konse­quenz hin: „Diese Vertrags­klausel verpflichtet auch Deutschland zu Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung. Der sicherste Weg zur Erfüllung dieser völker­recht­lichen Pflicht ist der Beitritt Deutsch­lands zum 2021 in Kraft getre­tenen Atomwaf­fen­ver­bots­vertrag, dem bereits 72 Staaten beigetreten sind.“ (3)

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1    Statement der Block­freien Staaten bei der NVV-Konferenz in Genf, 22.7.2024.
reachingcriticalwill.org/images/documents/Disarmament-fora/npt/prepcom24/statements/22July_NAM.pdf
2    Science and Security Board, Bulletin of the Atomic Scien­tists: Closer than ever: It is now 89 seconds to midnight – 2025 Doomsday Clock Statement; 28.1.2025;
thebulletin.org/doomsday-clock/2025-statement/
3    ICAN: TPNW signature and ratifi­cation status; www.icanw.org/signature_and_ratification_status