Eine der wichtigsten Themen bei der ersten Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrags in Wien ist u.a. die Umsetzung der Artikel 6 und 7. Dabei geht es um die Opferentschädigung und die Sanierung der Gebiete der betroffenen Länder von Atomwaffeneinsätzen in Japan und Atomwaffentests weltweit. Daher fand bei dem zivilgesellschaftlichen Forum von ICAN mit dem Motto „the ban is the plan“ am Wochenende auf 4 Bühnen in drei Stockwerken der "Aula der Wissenschaften" im Herzen von Wien ein sehr umfangreiches und vielfältiges Programm mit Workshops, Podiumsgesprächen und Vorträgen für ca. 600 Besuchern statt. Eines der Podiumsgespräche lief unter dem Titel „Neue klare Wege für den Pazifik“ bei der die Stimmen der Bewohner pazifischer Inseln laut wurden (mit Lena Normand, Olivia Baro, Maureen Penjueli, Danity Laukon).
Nach 30 Jahren atomarer Testung von 1966 bis 1996 führte Frankreich als Kolonialmacht von Polynesien, einem Inselvolk im Pazifik, 193 von insgesamt 210 Atomwaffentests durch, davon 46 atmosphärische und 147 unterirdische Tests. Durchschnittlich wurden über 30 Jahre lang alle 2 Monate eine Testexplosion durchgeführt! Sie kämpfen seither dafür, dass nicht eine Waffe ein weiteres Mal verwendet wird, dass ihre Stimmen gehört werden, ihre Opfer entschädigt und ihre Gebiete saniert werden!
Trotz allem : bis vor kurzem wagte niemand, über Atomwaffentests zu sprechen – es ist immernoch ein sehr sensibles politisches Thema. Auch die Regierung in Maori (Fidji) traute sich nicht, darüber zu sprechen, wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu Frankreich, das immernoch ihre kolonialistischen Strukturen auf die pazifischen Inseln ausübt. Erst im Jahr 2018 startete die Regierung ein Bildungsprogramm, um die Menschen darüber aufzuklären, was mit ihrem Land und deren BewohnerInnen passiert ist.
2017 wurde eine nationale Nuklearkommission mit einem strategischen Plan zur Entschädigung der Opfer und der Sanierung ihrer kontaminierten Umwelt gegründet. Und dank des Atomwaffenverbotsvertrags gibt es jetzt ein konkretes Mittel, um diesen moralischen Verpflichtungen nachzukommen. Die Hoffnung liegt auch in der kollektiven internationalen Unterstützung zur Abschaffung von Atomwaffen.
Die pazifischen Inseln brauchen dringend internationale, technische und strukturelle Hilfe. Eine längst fällige Entschuldigung von französischer Seite wurde bisher nicht an die Inselbewohner gerichtet.
Die Staatenkonferenz wird nun ihre Forderungen endlich anhören. Das gibt Grund zur Hoffnung.
Die im Anschluß stattfindende NGO TPNW Konferenz „Give peace a chance!“ des IPB (19. Juni 2022), begleitete die UN-Konferenz der Partnerstaaten des Atomwaffenverbotsvertrags. Eine der Sprecherinnen war Vanessa Griffin, aktiv gegen Atomtests auf den pazifischen Inseln, Gründungsmitglied der Bewegung Early Nuclear Free and Independent Pacific; pazifische Feministin, Verfechterin der Gleichberechtigung der Geschlechter und der Frauenrechte, MitarbeiterIn des Pacific Network on Globalization (PANG).
Die polynesischen Inseln wurden als Standort für Atomwaffentests nicht nur durch Frankreich, sondern auch durch Großbritanien und den USA ausgewählt. Dies wurde von der UN sogar geduldet. Proteste gegen Atomwaffentests waren von Anfang an die Säule der Frauenbewegung im pazifischen Raum. Noch immer leiden Menschen nach 50, 60 Jahren an Krebs, sterben frühzeitig und entwickeln in nachfolgenden Generationen sichtbare Mißbildungen, Krebserkrankungen und Fehlgeburten. Eines der größten Leiden war es, sogenannte Quallenbabys zur Welt zu bringen.
Die Bombardierung ganzer Atolle und unterirdische Tests verursachten eine Kontamination des gesamten pazifischen Ozeans. Zudem wurden nuklearen Abfälle einfach durch eine Sarkophagdecke überzogen. Atombomben sind schon durch ihre bloße Existenz ein Risiko: Unfälle, menschliche Fehler und technische Unfälle sind nicht ausgeschlossen.
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